NOTCH1-Mutation als prädiktiver Biomarker für Tislelizumab bei fortgeschrittenem ESCC identifiziert
Anika Mifka M.Sc.Eine aktuelle Analyse der Phase-III-Studie RATIONALE-302 hat ergeben, dass eine Mutation im NOTCH1-Gen mit einem signifikant verlängerten Gesamtüberleben (OS) bei Patient:innen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Ösophagus-Plattenepithelkarzinom (ESCC) assoziiert ist, die mit dem PD-1-Inhibitor Tislelizumab behandelt wurden. Diese Erkenntnis könnte die Auswahl von Patient:innen für Immuntherapien künftig präziser gestalten.
Begrenzte Aussagekraft aktueller Biomarker bei ESCC
Obwohl Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) wie Tislelizumab in der Zweitlinientherapie von ESCC gegenüber Chemotherapie Vorteile gezeigt haben, profitieren nur bestimmte Patient:innen langfristig davon. Bisherige Biomarker wie die PD-L1-Expression oder die Tumormutationslast (TMB) bieten nur begrenzte Vorhersagekraft. Daher besteht ein dringender Bedarf an zuverlässigen prädiktiven Biomarkern, um die Therapieentscheidung zu optimieren
RATIONALE-302: Suche nach verlässlichen Therapieprädiktoren
In der RATIONALE-302-Studie wurden 512 Patient:innen mit fortgeschrittenem oder metastasiertem ESCC randomisiert entweder mit Tislelizumab oder mit einer vom Untersucher gewählten Chemotherapie behandelt. Im Rahmen einer nachträglichen Biomarker-Analyse wurden umfassende genomische und transkriptomische Profilierungen der Tumorproben durchgeführt, um potenzielle prädiktive Marker für den Behandlungserfolg zu identifizieren.
Längeres Überleben bei NOTCH1-Mutation unter Tislelizumab
Bei 22% der analysierten Patient:innen wurde eine NOTCH1-Mutation festgestellt. Diese Gruppe zeigte unter Tislelizumab eine mediane Gesamtüberlebenszeit von 18,4 Monaten im Vergleich zu 5,3 Monaten unter Chemotherapie (Hazard Ratio [HR]: 0,35; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI]: 0,17–0,71). Im Gegensatz dazu profitierten Patient:innen ohne NOTCH1-Mutation nur minimal von Tislelizumab (medianes OS: 6,0 Monate vs. 6,9 Monate; HR: 0,81).
Transkriptomische Analysen zeigten, dass Tumoren mit NOTCH1-Mutation eine erhöhte Expression von Typ-I-Interferon- und Toll-like-Rezeptor-Signaturen aufwiesen, die mit einem immunologisch aktiveren Tumormikromilieu assoziiert sind. Zudem war die Infiltration von B-Zellen und Neutrophilen reduziert, was auf eine geringere Immunsuppression hindeutet. Diese molekularen Veränderungen könnten den verbesserten Therapieerfolg unter Tislelizumab erklären.
Neue Perspektiven für die patientenindividuelle Therapieauswahl
Die Identifikation der NOTCH1-Mutation als prädiktiver Biomarker für den Erfolg von Tislelizumab bei ESCC stellt einen Fortschritt in der personalisierten Onkologie dar. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Patient:innen gezielter für Immuntherapien auszuwählen und somit die Behandlungsergebnisse zu verbessern.
Quelle:Lu et al. J Clin Oncol. 2025. doi: 10.1200/JCO-24-01818