HKDC1: Potenzielles Bindeglied zwischen Darmentzündung und Darmkrebs
Menschen mit chronischen Darmentzündungen haben ein erhöhtes Risiko auch an Darmkrebs zu erkranken. Doch die genauen Mechanismen dahinter sind noch weitestgehend unbekannt. Forschende des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und der DFG Forschergruppe „miTarget“ versuchen daher diesen Zusammenhang besser zu verstehen. Nun hat ein Kieler Forschungsteam gezeigt, dass ein Protein, das bei Patient:innen mit chronischen Darmentzündungen ungewöhnlich häufig vorkommt, auch in Verbindung mit Darmkrebs steht. Wird das zuständige Gen bei Krebszellen entfernt, so dass das Protein nicht mehr hergestellt werden kann, wird das Tumorwachstum gehemmt (1).
Enzym HKDC1: Neue Hinweise auf Bedeutung für Darmkrebsentwicklung
Das Protein HKDC1 (hexokinase domain containing 1) gehört mit 4 weiteren ähnlichen Enzymen zur Familie der Hexokinasen. Das sind Enzyme, die vor allem beim Kohlenhydratstoffwechsel im Körper eine wichtige Rolle spielen. Vorangegangene Forschung hatte bereits gezeigt, dass HKDC1 eine Rolle bei einigen Krebstypen spielt. Für Darmkrebs gab es bisher jedoch keine Ergebnisse. Außerdem hatten Wissenschaftler:innen des Exzellenzclusters PMI unter der Leitung von Prof. Philip Rosenstiel vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, bereits gezeigt, dass HKDC1 bei Menschen mit chronischen Darmentzündungen hochreguliert ist. „Darüber hinaus wissen wir, dass HKDC1 vor allem im Darm vorkommt. Daher fragten wir uns, was es dort macht und ob es einen Einfluss auf die Krebsentstehung im Darm hat“, berichtet eine der beiden Erstautorinnen, Doktorandin Lea Järke aus der Arbeitsgruppe „Funktionelle Wirt-Mikrobiom Forschung“ am IKMB.
Ohne HKDC1 verlieren Darmkrebszellen ihre Teilungsfähigkeit
Die Arbeitsgruppe von PD Dr. Felix Sommer (IKMB) untersuchte daher in verschiedenen Experimenten, welche Auswirkungen es hat, wenn man in Darmkrebszellen das für die Herstellung des Proteins zuständige Gen entfernt. Wenn es nicht mehr vorhanden ist, kann die Zelle auch das Protein nicht mehr herstellen. Die Experimente haben sie sowohl in Zellkultur und Organoiden als auch in Mausmodellen durchgeführt. „Wir konnten unter anderem beobachten, dass sich die Krebszellen ohne HKDC1 nicht mehr ungehindert teilen, sie anfälliger werden für Signale von außen, die zu ihrem Absterben führen und als Folge sich die Tumoren entweder gar nicht oder nur stark reduziert ausbilden“, berichtet die zweite Erstautorin, Doktorandin Saskia Weber-Stiehl, ebenfalls aus der Arbeitsgruppe „Funktionelle Wirt-Mikrobiom Forschung“ am IKMB. Ob die Ergebnisse möglicherweise auch auf den Menschen übertragbar sind, muss weitere Forschung zeigen.
Blockierung des Enzyms könnte bei Darmentzündung und Darmkrebs helfen
Die überdurchschnittlich hohe Produktion von HKDC1 bei Menschen mit chronischen Darmentzündungen könnte also eine Erklärung sein dafür, warum diese Patient:innen häufiger zusätzlich an Darmkrebs erkranken. Die Erkenntnisse könnten für eine mögliche Therapie relevant sein: Sowohl Darmkrebs als auch chronische Darmentzündung könnten beeinflusst werden, wenn man HKDC1 blockiert – etwa durch chemische Inhibitoren oder durch gezielte Eingriffe in das Mikrobiom. Es ist bekannt, dass einige Krebstherapien vom Mikrobiom abhängig sind. Denn die Bakterien im Darm produzieren beispielsweise Enzyme, die Wirkstoffe in Krebsmedikamenten abschalten oder auch erst aktiv machen können. Zusätzlich haben die Forschenden aus Kiel bereits für andere Mitglieder der Hexokinase-Familie gezeigt, dass diese durch das Mikrobiom reguliert werden können. „Auch bei HKDC1 ist es denkbar, dass das Mikrobiom im Darm die Produktion des Enzyms beeinflusst. Das ist Gegenstand unserer aktuellen Forschung“, sagt Dr. Sommer. „Wir möchten also langfristig herausfinden, ob wir über Veränderungen des Mikrobioms die Hexokinase und so das Tumorwachstums unterdrücken können“, so Dr. Sommer weiter.
Quelle:Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen
Literatur:
(1) Järke et al. Cancer Communications (2025). DOI: https://doi.org/10.1002/cac2.70022